Inklusives Sportfest 2017

Landkreis Haßberge/Hofheim. Die Buchstaben „S“ und „I“ dominierten am Samstag das Geschehen auf dem Sportgelände des SV Hofheim. Warum? Sport und Inklusion trafen dort am „Tag des Deutschen Sportabzeichens“ wieder einmal aufeinander. Beim mittlerweile dritten inklusiven Sportfest, bei dem Menschen mit und ohne Behinderung das Sport- oder Mehrkampfabzeichen ablegen konnten. Aber es ging nicht nur um Koordination, Ausdauer, Schnelligkeit oder Geschicklichkeit.

Neben der sportlichen Betätigung bei der vom Bayerischen Landes-Sportverband (BLSV), dem Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband Bayern (BVS), der Lebenshilfe Haßberge und der Rummelberger Diakonie ausgerichteten Veranstaltung, stand vor allem der Spaß im Vordergrund – und zwar der gemeinsame. Das Motto lautete schließlich „Das Wir gewinnt.“ Federführend für dieses immer noch besondere und nicht selbstverständliche Event – immerhin wurde das Recht auf Inklusion in der UN-Behindertenrechtskonvention bereits vor elf Jahren festgeschrieben – war erneut Günter Dietz vom heimischen Turnverein, der bereits bei der Premiere 2015 forderte: Menschen mit Behinderung sollen bei Sportfesten nicht weiter übersehen werden. Der Bezirksvorsitzende des Bayerischen Turnverbandes und gleichzeitig „Inklusionsbeauftragter“ zeigte sich einerseits schon recht zufrieden mit dem bisher Erreichten. Doch es gebe noch viel zu tun. „Es ist schon langwierig. Aber wir machen Fortschritte“, betonte der 68-Jährige, der von Stillstand nichts wissen will. „Es geht wirklich aufwärts.“ Besonders die Nachfrage von anderen Vereinen bezüglich einer Austragung einer inklusiven Sportveranstaltung in anderen Regionen habe zugenommen, auch wenn die Zurückhaltung oder sogar Vorbehalte noch deutlich zu spüren seien. „Ja, das ist wohl der schwierigste Teil“, räumte Dietz ein, dass es in Punkto Überzeugungsarbeit noch viel zu tun gebe. Sein Motto lautet: „Man sollte es erst einmal probieren.“ Außerdem müssen immer noch vorhandene „gedankliche Sperren“ in den Köpfen vieler nichtbehinderter Menschen „vorher gebrochen werden, dass sie nicht mehr so verschlossen und abwehrend sind.“ Seine persönliche Erfahrungen in den letzten Jahren bezeichnete der Hofheimer als „sehr, sehr positiv.“

Und am Samstag? Zirka 22 Menschen mit Behinderung sowie 68 andere Freizeitsportler, darunter eine große Schülerabordnung der Hofheimer Realschule („sie hat sich als einzige Schule beteiligt“, lobte Günter Dietz), nahmen das Angebot zum einen sehr gerne war. Zum anderen hatten sie mächtig Spaß. Sowohl bei den einzelnen Disziplinen auf dem Sportgelände sowie dem angrenzenden Hallenbad, um unter den Augen von BLSV-Sportabzeichen-Referent Uwe Derra (Neubrunn) das deutsche Sportabzeichen zu erwerben, die Ende September dann übergeben werden. Ebenso beim und mit dem bunten Rahmenprogramm: Die Hofheimer Sambagruppe „Bateria Caliente“ sorgte mit kubanischen Rhythmen für ein schwungvolle Eröffnung, die Musicalgruppe der Lebenshilfe mit Liedermacher Martin Scherer an der Spitze zeigte ihr schauspielerisches Können mit einem Querschnitt ihrer bisherigen vier Musicals, ein Kinderprogramm der „Rummelsberger Diakonie“ inklusive Luftballonwettbewerb war vor allem für die Kleinsten ganz groß und die Band „Ecoustic“ nahm die Zuhörer mit Klassikern von den Beatles, Bon Jovi oder AC/DC mit auf eine musikalische Reise in die letzten Jahrzehnte der Musikgeschichte.

Für eine zusätzliche Belustigung der zahlreichen Zuschauer waren derweil (politische) „Promis“, Stadt- und Gemeinderäte aus Hofheim und Bundorf, Hofheimer Realschüler sowie Sportfunktionäre des TVH zusammen mit Menschen mit Handicap, verantwortlich. Beim „Spiel ohne Grenzen“, bei dem insgesamt sechs inklusive Mannschaften gegeneinander antraten, waren schließlich Disziplinen Kegeln, Ringewerfen, Eimer mit Wasser füllen oder Dreibein-Lauf angesagt. Das Spiel ohne Grenzen bot interessierten Bürgern und Politikern aus verschiedenen Gemeinden im Landkreis Haßberge die Möglichkeit, das sportliche Miteinander in der Praxis auszuprobieren. „Dadurch können vorhandene Berührungsängste abgebaut werden und alle können grenzenlos Spaß zusammen haben“, begründete Bettina Surkamp die Aktion. Surkamp, Leiterin des Bereiches „Offene Hilfen“ der Lebenshilfe Haßberge, die ebenso wie die „Rummelsberger Diakonie“ seit 2016 als Kooperationspartner mitwirkt, bezeichnete den Sport als „niedrigschwellige Möglichkeit, Begegnungen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung zu schaffen.“ Sport sorge nicht nur für Spaß, sondern bringe Menschen in Bewegung, sporne zu Höchstleitungen an und ermögliche dem Einzelnen Wachstum, „manchmal auch über die eigenen Grenzen hinaus. Dies,“ machte sie deutlich, „ist auch der Wunsch aller Organisatoren des inklusiven Sportfestes. Wir wollen Bürger und Bürgerinnen, Vereinen und anderen Sportinteressierten im Landkreis Haßberge zeigen, dass alle dabei sein können.“ Wie Günter Dietz war sich die Pädagogin sicher, dass „die meisten Grenzen und Barrieren nur in unseren Köpfen vorhanden“ seien und das Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung dadurch einschränken. „Hier im TV Hofheim ist es uns gelungen, selbst die leistungsorientierten Disziplinen, die das Sportabzeichen verlangt, für alle Teilnehmer mit und ohne Behinderung zu ermöglichen.“ Fakt ist: das Ziel, mehr Aufmerksamkeit auf das Projekt „Gemeinsam im Verein – Sport inklusive" zu lenken, ist erneut geglückt.

Eine Fortsetzung in den nächsten Jahren ist derweil fest geplant. Und zwar weiterhin in Hofheim, wo die Infrastruktur ideal ist. Damit trägt Günter Dietz gleichzeitig dem Wunsch von Hofheims Bürgermeister Wolfgang Borst Rechnung, der sich für eine weitere regelmäßige Ausrichtung in Hofheim aussprach. Mittlerweile ist auch der politische Bezirk an Bord, sodass auch im westlichen Unterfranken ein inklusives Sportfest verankert werden soll.

Der Hauptorganisator ist nach wie vor ein großer Verfechter der Inklusion, die in der Öffentlichkeit einen richtig festen Platz braucht. „Über den sportlichen wie auch den geselligen Bereich lässt sich das prima erreichen.“ „Wir erhoffen uns auch viele Nachahmer und weitere Vereine im Landkreis Haßberge, die offen für ein inklusives Miteinander sind“, ergänzte Bettina Surkamp.

Schon am Vormittag ging Landrat Wilhelm Schneider, der wieder die Schirmherrschaft übernommen hatte, im wahrsten Sinne des Wortes bis an seine Grenzen, denn er legte ebenso das Sportabzeichen ab wie Wolfgang Borst. „Inklusion soll eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Wir müssen die Menschen so annehmen, wie sie sind“, sagte der Kreischef. Es wäre schön, nicht mehr darüber reden zu müssen.