Haßfurt. Zwar ist das neue „Wohnheim 50plus“ der Lebenshilfe Haßberge e. V. nach 17 Monaten Bauzeit bereits seit dem letzten Herbst mit Leben erfüllt. Die offizielle Einweihung des 4,36 Millionen Euro teuren und 1878 Quadratmetern großen Gebäudes in der Haßfurter Goethestraße mit insgesamt 24 Plätzen sowie zusätzlich sechs Plätzen für eine Tagesstruktur, die von Menschen mit Handicaps tagsüber besucht werden können, fand jedoch erst am Wochenende statt.

 

Nicht nur für Eva-Maria Rausch und ihre Kollegin Tanja Hennig ein besonderes Ereignis, als Haßfurts Pfarrer Stephan Eschenbacher und seine evangelische Kollegin Doris Otminghaus bei einem ökumenischen Gottesdienst die Räume segneten. Die Beiden sind als „Hausleitungs“-Duo für das Wohl und die Anliegen von Bewohnern und insgesamt 20 Mitarbeitern vor Ort zuständig. Mit Erfolg: „Es hat Spaß gemacht, unser Haus von Anfang an mit zu gestalten und zu strukturieren. Umso schöner ist es nun zu sehen, wie positiv sich unsere Bewohner in ihrem neuen zuhause entfalten“, freute sich Tanja Hennig, die als Gerontopsychiatrische Fachkraft im Wohnheim beschäftigt ist. Ihrer Meinung nach werden die Arbeitsabläufe aufgrund der räumlichen Möglichkeiten und neuen Hilfsmittel zum einen erleichtert. Noch wichtiger aber ist für sie die Lebensqualität der Bewohner, die „erheblich gesteigert“ wurde.

 

Derweil wird im Wohnheim „großer Wert auf Normalität“ gelegt, wie die Heilerziehungspflegerin Eva-Maria Rausch betonte. Familienähnliche Strukturen („jeder macht alles“) sind in den Gruppen mit maximal acht Personen gut umsetzbar. Und dafür ist das Haus auch ausgestattet. Im großen Gemeinschaftsraum mit Küche, Wohn- und Esszimmer, bietet sich die Möglichkeit des Beisammenseins. „Hier spielt sich der Tagesablauf ab. Es wird gemeinsam gekocht, geredet, gelacht und gelebt“, machen die beiden Leiterinnen deutlich. Die hellen großen Einzelzimmer mit Badezimmer geben den Bewohnern zudem „die Möglichkeit auf Rückzug und individuelle Gestaltung.“

 

Ebenso wie in Lebenshilfe-Wohnheimen A und B in der Sylbacher Raiffeisenstraße wird „Nachvollziehbarkeit in allen Lebenslagen“ angeboten. „Beim Wäschewaschen, beim Einkaufen, bei Gartenarbeiten, bei der Reinigung der Zimmer oder beim Kochen werden die Bewohner je nach Wunsch individuell mit einbezogen. So lernen sie den Prozess von Ursache und Wirkung“, erklärte Tanja Hennig und wies auf die zusätzlichen vielen Freizeitangebote wie Kegeln, Qi Gong, Malen, Massage, Gestalten, Ausflüge, Einkauf, Schwimmen oder Sauna hin. „Jeder und jede kann jedoch seinen Tagesablauf selbst bestimmen.“

 

Am meisten freuen sich die Hausleitungen, dass sich die Bewohner „von Anfang an“ in ihrem neuen Zuhause wohl gefühlt haben und das neue Gebäude sowie das neue Team „ein hohes Maß an Lebensqualität ermöglicht.“ Die Kleingruppen würden Zeit bieten, um individuell auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Bewohners einzugehen sowie Ressourcen zu fördern. „Durch das neue motivierte Team ist in der kurzen Zeit ein guter Zusammenhalt sowie ein enges Vertrauensverhältnis zwischen Betreuern und Bewohnern gewachsen“, zog Eva-Maria Rausch ein überaus positives erstes Fazit.

 

Als „Gewinn“ bezeichnete Landrat Wilhelm Schneider den Neubau des „Wohnheims 50plus“. „Für die Lebenshilfe, für unseren Landkreis, für die Stadt Haßfurt und insbesondere natürlich für die Bewohnerinnen und Bewohner, für die hier ein neues Zuhause für ein besseres Leben geschaffen wurde.“ Zugleich sei der Lebenshilfe Haßberge „ein großer Schritt in ein neues Zeitalter der stationären Einrichtungen für ältere Menschen mit Behinderungen gelungen.“ Kleine moderne Wohneinheiten inmitten der Stadt Haßfurt würden den Bewohnern künftig noch mehr Lebensqualität bieten. „Kerngedanke des Konzeptes ist es, dass behinderte Menschen mit der erforderlichen Unterstützung ein Leben so normal wie möglich führen können“, betonte der Kreischef. Ebenso bezeichnete Schneider den Standort als „ideal, weil das Wohnheim wirklich mitten im Wohngebiet, also mitten drin im Geschehen ist.“ Dadurch werde Inklusion und Integration nicht nur „groß geschrieben“, sondern auch gelebt.

 

Haßfurts Bürgermeister Günther Werner lobte neben dem Neubau wie auch Wilhelm Schneider die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. „Sie machen das Wohnheim zu einem wirklichen Zuhause für seine Bewohnerinnen und Bewohner und verhelfen ihnen dazu, ihren Platz in unserer Gesellschaft zu finden. Sie bieten ihnen Lebensqualität“, so der Kommunalpolitiker. Darüber hinaus würden sie Mitmenschlichkeit beweisen, „ohne die eine Gemeinschaft, ohne die eine Kommune nicht auskommen kann.“ Werner richtete sich auch direkt an die Bewohnerinnen und Bewohner, die im neuen Haus den Zusammenhalt und die Unterstützung finden, die sie brauchen. „Sie werden Tag und Nacht gut betreut, Sie leben in einer Gemeinschaft, die Ihnen Rückhalt bietet, Sie werden darin bestärkt, Ihr Leben, so weit es geht, eigenständig zu gestalten.“

 

Karin Renner aus Bad Kissingen, die Behindertenbeauftragte des Bezirks Unterfranken, sprach von einem „großen Tag für die Lebenshilfe und die Menschen, die eingezogen sind“. Für sie ist die Lage des Wohnheims perfekt. „Es ist schön, dass es mitten in einem Wohngebiet steht. Das ist Inklusion“, so die CSU-Politikerin.

 

Ein dickes Lob hatte 1. Vorsitzender Thomas Sechser für Geschäftsführer Olaf Haase parat: Das Gesamtprojekt wäre ohne dessen steten und gewissenhaften Einsatz vielleicht anders verlaufen. Auch Haase zeigte sich stolz angesichts der Verwirklichung eines Projektes in dieser Größenordnung. Es sei für einen kleinen Lebenshilfeverein nur zu schultern, „wenn alle Beteiligten daran Hand in Hand arbeiten und ein gemeinsames Ziel vor Augen haben.“ Weitere Grußworte sprachen Johann Lechner von der Regierung von Unterfranken, Markus Kuhn vom Haßfurter Planungsbüro Kuhn und Uhlich sowie Künstler Hermann Schmitt.

 

Neues Wohnheim der Lebenshilfe Haßberge e. V. in Zahlen:

 

24 Plätze, davon zwölf für Werkstattgänger und zwölf für Senioren sowie sechs Plätze für eine Tagesstruktur. Grundstücksfläche: 3494 Quadratmeter. Wohnfläche gesamt: 1878 Quadratmeter. Kosten: Zirka 4 362 000 Euro. Zuschüsse: Staatsregierung zirka 64 Prozent, Bezirk zirka zehn Prozent, „Aktion Mensch“ 110 000 Euro, Stadt Haßfurt 50 000 Euro. Eigenmittel der Lebenshilfe Haßberge e. V.: 23,48 Prozent (1 025 000 Euro).